daneben, kunstbüro reillplast 2007

Mit ästhetischem Scharfblick nimmt Martin Fritzsche Proben der Zivilisationsgesellschaft, um sie zu verändern und neu zu verbinden. Inspiriert von der Arte povera und Fluxus verwendet er dabei vor allem Fundstücke aus dem täglichen Leben. Tüten, Kleider, Kisten oder Plastikverpackungen werden zu interessanten Materialobjekten. Martin Fritzsche schafft mit seinen künstlerischen Arbeiten neue Sinnzusammenhänge und Fragestellungen, die den Bezug zur aktuellen Lebenssituation halten und über sie hinausweisen. Seine Objekte, Installationen, Zeichnungen und videos sind amüsant wie ungewöhnlich, hintersinnig und humorvoll lassen sie das Wesentliche und Menschliche unseres Lebens erahnen.

videoarbeiten m.fritzsche 2007-2019, kunstfilmtage rosenheim

 

In seinen minimalistisch kurzen Videoarbeiten unter dem Arbeitstitel „daneben“ wird der spielerische Ansatz deutlich, den Martin Fritzsche auch in seiner bildhauerischen Arbeit pflegt. „daneben“ ist eine Reihe von kurzen Filmsequenzen, die sowohl die Tiefe, Brüchigkeit und Schwere, wie aber auch die Leichtigkeit, Heiterkeit und Unbeschwertheit und insgesamt die Einfachheit des Lebens zelebrieren. „daneben“ setzt den Focus auf -vermeintlich Unbedeutendes, Unwichtiges,
Die Titel der Arbeiten: „feuere – werke“ (100 sek.), „flieg – dirndl“ (120 sek.), „gleite - weite“ (165 sek.), „kreise- weise“ (240sek.), „melke – welke“ (81 sek.), „mütze – schütze“ (68 sek.) „pflege – dich“ (73sek.). „ puste – nich“ (99 sek.), „stärke – merke“ (120 sek.) sind poetische Zuwendungen mit Aufforderungscharakter in vielerlei Hinsicht.
Auch in den videoarbeiten „mehr“ (117 sek.), „triptychon“ (180 sek.) und „wir schwimmen – schwimmen wir weiter – heiter“ (217 sek.), wird ein ähnliches Konzept verfolgt und das Einfache als das Existenzielle erkennbar.
Martin Fritzsche versteht sich nicht als Filmkünstler es handelt sich um einen Nebenschauplatz seiner Arbeit.

 

 

Martin Fritzsche, geboren 1960 in München, arbeitete zunächst als Diplom Sozialpädagoge und später auch als Kinder und Jugenpsychotherapeut.
Von 1993 bis 1999 sudierte er an der Akademie der bildenden Künste München in der Klasse von Norbert Prangenberg. Er lebt und arbeitet nun schon seit vielen Jahren als freischaffender Bild-er-finder, in Antwort i. Chiemgau und ist Dozent an der Fachakademie für Sozialpädagogik in München
Martin Fritzsche ist ein bekennender Spieler. Den Satz „Spiel ist die Arbeit des Kindes“,
übertragt er auch auf sein künstlerisches Schaffen „Spiel ist die Arbeit des Künstlers“. Spielerisch, ernsthaft, vertieft , geht er zur Sache, findet, erforscht und kommentiert er
gesellschaftliches und biografisches Zeitgeschehen. Mit ästhetischen Scharfblick findet er Bilder unserer Zivilisationsgesellschaft, um sie zu verändern und mit unterschiedlichen Materialien, Zeichnungen, Bemalungen, Skulpturen zu kombinieren und mit ihren Titeln zu öffnen und zu reflektieren.
Als Bild-er-finder im ureigensten Begriff des Wortes findet und erfindet er so neue eigensinnige Gebilde von poetischer Qualität. Objekte und Rauminstallationen entwickeln Sinnzusammenhänge, die in gleicher Weise den Bezug zur aktuellen Lebenssituation halten als aber auch über diese hinausweisen.

 

Galerie Kunstbüro reillplast, München, 2013

 

Als fragende Behauptungen könnte man Martin Fritzsches Arbeiten am ehesten beschreiben.

Er beginnt den künstlerischen Prozess mit der genauen Beobachtung unserer Alltagswelt und ihrer Absurditäten.

Dem Alltag entnimmt er seine Ideen und - in Tradition der arte povera - auch seine Materialien. Tüten, Flaschen und Plastikschüsseln werden aus ihrem Kontext genommen und in einen neuen, irritierenden Sinnzusammenhang gebracht.

Martin Fritzsche versieht seine Objekte und Installationen zudem mit merk- und denkwürdigen Beschriftungen. So werden Keramikwürste zu poetischen Verweisen auf weitere mögliche oder unmögliche Zusammenhänge.

Das Repertoire des Künstlers umfasst Flaschenskulpturen ebenso Endlosschleifen aus grellen Wäscheklammern.

Unter dem Titel „buntes treiben" dümpeln farbenfrohe Plastikschüsseln in einem zweckentfremdeten Aquarium umher.

Martin Fritzsches Arbeiten sind humorvoll wie hintersinnig und bezeichnen gleichzeitig eine gewisse Ausweglosigkeit.

Hinter seinen skultpturalen Heiterkeiten scheint unverkennbar auch die Brüchigkeit der Dinge hervor.

 

(Text: Asja Schubert, München)

Alten Wache, Traunstein, 2011

 

Martin Fritzsche / Helmut Mühlbacher

 

Für die in der Alten Wache stattfindende Präsentation haben sich zwei Künstler zusammengetan, die einen frischen Wind in die traditionsreiche Jahresausstellung bringen. Helmut Mühlbacher und Martin Fritzsche kommen beide künstlerisch von der Konzeptkunst her, haben aber das Spröde und Theoretische dieser Kunstrichtung, die in die Idee alles und in die Ausführung wenig hineinlegte, hinter sich gelassen. Ein gutes Beispiel dafür ist ihre Zusammenarbeit bei der Raumbespielung “daily sculptures“.

Ihr Material ist dem Alltag und der Gebrauchswelt entnommen: Tüten, Folien und Plastikschüsseln werden aus ihrem funktional definierten Kontext genommen und in einen anderen Sinn- und Raumzusammenhang gebracht. Der künstlerische Prozess beginnt im Sichten der Alltagswirklichkeit, im Erkennen drängender gesellschaftlicher Problemfelder und in der Wahrnehmung des geeigneten Materials. Ein Material ist für Mühlbacher und Fritzsche dann geeignet, wenn es Zeichenhaftigkeit in sich birgt, die einen Reflexionsprozess des Betrachters in Gang setzt. In ihrem Gemeinschaftsprojekt einer Diashow wird z.B. eine in endloser Serie geschaltete Abfolge von Bildern gezeigt, die beide Künstler unabhängig voneinander in den 90er Jahren ausschließlich aus bedruckten Plastiktüten gemacht haben. Dem Betrachter allerdings, der die Diaprojektion durch Sehschlitze verfolgt, wird sich der Gegenstand der Darstellung gar nicht so leicht erschließen. Die Aufnahmen zeigen nur Segmente, Ausschnitte von Plastiktüten, die in der Isolierung und Vergrößerung einen ganz eigenen, malerischen Reiz entfalten und deren Material in der Nahansicht eine Körnigkeit aufweist, die sogar an eine Leinwand denken lässt. Gleichzeitig sorgen der Anachronismus von Diapositiven und die Wahrnehmung des Industriematerials, das Spuren des Gebrauchs und des Verfalls trägt, beim Betrachter dafür, sich über die Kombination von pittoresker Schönheit, Konsumbereitschaft und Vergänglichkeit Gedanken zu machen. Verpackungsmaterial kommt auch bei den „Bubbles“ von Helmut Mühlbacher zum Einsatz: Schwebend im Raum verteilt bewegen sich einzelne Luftpolsterkissen, die kleine menschliche Figuren aus dem Eisenbahnmodellbau enthalten, im Luftzug. Mitleid erregend klein, fremdbestimmt, isoliert und gefangen wird der Mensch charakterisiert, ausgesetzt den Strömungen der Welt und immer gefährdet, denn wenn die Blase platzt, dann stürzt er unweigerlich. Schwankend und labil ist auch die Arbeit von Martin Fritzsche mit dem Titel „buntes treiben“. Verschieden farbige Schüsselchen tanzen auf der Wasseroberfläche eines zweckentfremdeten Aquariums. Auch hier täuscht der zunächst fröhliche Eindruck nicht darüber hinweg, dass die Konstruktion eine in höchstem Maße bedrohte und ephemere ist. Aus welcher Richtung die Irritation, die unweigerlich zum Untergang führt, kommen könnte, bleibt offen und abstrakt. Das für die Eröffnung vorgesehene Künstlergespräch bietet Raum für diesbezügliche gesellschaftskritische Diskussionen. In der Bereitschaft miteinander zu reden und Standpunkte auszutauschen sind die beiden Künstler Helmut Mühlbacher und Martin Fritzsche, die sich in ihrer Ausstellung “daily sculptures“ so spielerisch und ästhetisch ansprechend präsentieren, wieder fest auf dem Boden der Konzeptkunst angelangt.

 

Judith Bader

Installation mit farbigen Stühlen, 2010

 

Die Arbeit macht den Besucher und Bewohner auf einem Parkur zum “Ebersberg-Besitzer”:

Beinahe wie liegen gelassen oder vergessen, so wirken die Stühle von Martin Fritzsche. Gewöhnliche Stühle, in ungewohnter, andersartiger farbiger Präsenz an ungewöhnlichen Orten, installiert , - irritieren, - provozieren ein Untersuchen des Standortes, laden zum Sitzen, Verweilen und Besitzen ein;

Im Innehalten, Wahr –nehmen und Verarbeiten der Eindrücke wird der (körperliche) Besitzer zum (geistigen) Besitzer mit der Konsequenz eines verantwortungsvollen Umgangs und Einsatzes für den neu gewonnenen Besitz.

Zum Auffinden der Orte gibt es eine Postkarte mit Lageplan . Die Stühle sind nummeriert und mit Logo versehen.

An einer Stempelstelle am Rathaus kann der frischgebackene “ebersberg besitzer” sich voller Stolz mit dem “ebersberg besitzer”- Stempel auszeichnen.

 

ist der Versuch Orte durch poetische Hinzufügungen zu beseelen.

Ausgangspunkt ist immer ein spezifischer Ort in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität.

Multiplilkationsmechanismen der Werbewelt werden benutzt, transformiert und in Frage gestellt.

Das Inszenieren von Worten, Botschaften und Fragen dient hier keinerlei ökonomischen Zweck, sondern schafft gedanklichen Stolperstellen,

die den Mensch in seinem Erleben und Sein in den Mittelpunkt stellen.

Im Dreieck aus „poetischer Hinzufügung“ /Wort, Umgebung und Betrachter entwickelt sich ein assoziativer, reflektierender und poetischer Freiraum.

 

Zentraler Ausgangspunkt für die Arbeiten von Martin Fritzsche im öffentlichen Raum sind häufig sogenannte Restflächen und Nebenschauplätze.

Raumsituationen, die auf den ersten Blick unattraktiv wirken, unter der Reizschwelle liegen und nicht wahrgenommen werden, - Betonflächen, Brücken, Unterführungen, Straßenflächen etc. haben auf ihn, in ihrer eigenen ästhetischen Qualität schon immer eine starke Anziehungskraft ausgeübt. Der Blick für das „daneben“ (Katalog und Ausstellung 2009) ist ohnehin ein großes Thema in der künstlerischen Arbeit von Martin Fritzsche ebenso wie das „zusammen“ (Ausstellung, Irrlicht 2006) und neuerdings auch das „endlich“, die zeitliche Dimension (Ausstellung Landshut 2009, Passau 2010)

 

Martin Fritzsche bespielte bisher im eigenen Auftrag, die von ihm gefundenen Raumsituationen im Stadtraum mit eigens für diese Orte angefertigten Plastiken. Er ergänzte die „leeren“ Orte mit Etwas, das diesen zu fehlen schien. So entstanden und entstehen Installationen im öffentlichen Raum, die vom „zusammen“ leben. Plastik und Ort ergänzen sich, -ergeben eine neue Bedeutung, geben dem „Unort“ eine Widmung und letztendlich Identität.

 

In Rosenheim ist der Künstler seinen Arbeitsprinzipien treu geblieben und hat sie zu einer neuen Spielart weiterentwickelt. Diesmal installiert er an den „gefundenen“ Orten um den Mühlbachbogen von ihm gestaltete Schriftzüge. Ganz bewusst werden diese in der formalen Sprache der Werbewelt als Leucht- und Kunststoffschriften präsentiert, dienen nun aber keinerlei ökonomischen Zweck sondern stellen den Mensch in seinem Sein und Erleben in den Mittelpunkt.

Die Assoziativ in der Auseinandersetzung mit dem Raum für diesen gefundenen Worte und Satzfragmente, /Titel ergeben ein neues „zusammen“ deuten um, transformieren, stellen in Frage, beginnen räumlich wie inhaltlich miteinander zu kommunizieren

Im „Dreieck“ aus poetischer Hinzufügung /Wort, Umgebung und Betrachter entwickelt sich ein assoziativer, reflektierender und poetischer Freiraum.

 

Martin Fritzsche ist ein Künstler der kleinen Geste. Ganz in dieser Tradition versteht er seine Interventionen im öffentlichen Raum für den Skulpturenweg in Rosenheim. Ausgebildet bei Prangenberg in München ist seine Herangehensweise vor allem durch Er-Leben von Orten und Bedeutungen geprägt. Martin Fritzsches Projekt worte für orte reflektiert unmittelbar seine Erfahrung mit Rosenheim. Hierbei dient der urbane Raum als Projektionsfläche und die verwendeten Worte bilden eine Art Reaktion auf die urbane Landschaft. In seinen Interventionen in den Stadtraum greift Fritzsche auf verloren gegangene bzw. verborgene Bedeutungen von Orten zurück. Hierbei dient ihm die Sprache als Assoziationsraum, der gleichsam den vorhandenen Raum jenseits seiner visuellen Erlebbarkeit als Ort der Begegnung, Verweigerung aber auch als Qualität erfahrbar macht.

Skulpturenwege Rosenheim, Ebersberg, 2010

 

IMMER – ENDLICH - WEITER – WASSER LASSEN - DA – SEIN – ÜBERALL – ZUHAUSE.

Die Textfragmente von Martin Fritzsche im Mühlbachbogengelände erscheinen wie einzelne, aus jedem Zusammenhang gerissen Worte. Doch gelingt es Fritzsche mit diesen aus Kunststoff bzw. Metall gefertigten stereotypen Schriften an diesem spezifischen Ort einen neuen Raum zu erschaffen. Dieser soziale Raum ist aufgeladen mit symbolhaften Verweisen auf Qualitäten, die an diesem Ort lange verborgen waren. Wasser lassen beispielsweise verweist auf den nun für die Landesgartenschau wieder an die Oberfläche geholten Mühlbach. Noch weiter verweist Fritzsche hier auch auf die Bedeutung, dass wir der Natur ihren Raum einräumen sollten, der Leben und Gedeihen ermöglicht. Überall und zuhause ergeben in ihrer Platzierung auf einem verwahrlosten Wohnkomplex vielfältige Assoziationen. Zuhause kann tatsächlich überall sein, da es sich nicht zwingend an schönem Wohnraum orientieren muss, sondern zum Beispiel an den Ort der Familie oder der Freunde. Insbesondere Orte aus der Zeitschrift AD wirken allzu oft als Horte des schönen Scheins und weniger als Stätten des Glücks. Gleichwohl mag überall aber auch der Hinweis sein, dass sich vergleichbares nicht nur hier in Rosenheim und schon gleich gar nicht nur in Rosenheim findet. Da sein scheint der Aufruf zum verweilen. Verweilen an einem Ort, dessen Schönheit sich nicht mit dem Hübschen und Gefälligen verbinden lässt.

 

Zentraler Ausgangspunkt für die Arbeiten von Martin Fritzsche im öffentlichen Raum waren schon immer Restflächen, Nebenschauplätze: so genannte Un-Orte. Diese Un-Orte finden sich in jedem urbanen Gefüge. Die Qualität derselben als offene, neu zu definierende Räume wird allerdings bestenfalls von Randgruppen verstanden und besetzt. Dieses Phänomen trat in das Bewusstsein der Bevölkerung zum Beispiel in den Nachkriegsjahren als Kinder und Jugendliche Brachen und Ruinen als Spielflächen genutzt haben, in Städten mit Slumsiedlungen, die der Bevölkerung Lebens- und Gestaltungsraum sind und in denen ebenso Identität gestiftet wird wie in gewöhnlichen Stadtvierteln. Im ästhetischen wie sozialen Sinne waren in der Folge Graffiti in den 70er Jahren bis heute Formen der Markierung im öffentlichen Raum, die Hinweis und Symbol einer neuen Jugendbewegung waren.

 

Seine Texte sind nicht alleine Hinweise auf ästhetische Qualitäten von Brachƒlächen, Betonwände, Unterführungen, Brücken etc. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes poetische Verweise auf Zusammenhänge ohne dass sie Festlegungen auf bestimmte Inhalte sind. In der Zusammenfügung von Text und Raum schafft er Freiräume den gegebenen Ort in seiner Komplexität an Material, Geografie, Farbe, Form, Volumen und nicht zuletzt als Bewegungsmuster zu entdecken und anzuerkennen.

 

Die Qualität sozialer Räume ruft Fritzsche mit seinen Textfragmenten hervor, da er den Betrachter in die Auseinandersetzung mit dem Ort zwingt. Sie bieten Anhaltspunkte der Bedeutungstransformation, öffnen neue Blickachsen und Raumbezüge. Die Verdichtung von städtischem Raum findet hier nicht durch Bebauung sondern durch komplexe Sinnbezüge statt.

 

Fritzsches Geheimnis liegt in klassischen künstlerischen Techniken wie wir sie aus der Malerei kennen: dem Hinzufügen oder Auftragen, dem Wegnehmen, dem Zerstören, dem Zusammenfügen. Seine Mittel sind nicht Farbe und Pinsel/Spachtel, sondern Buchstaben und Orte. Buchstaben in spezifischen Anordnungen und Abfolgen, deren Ergebnis poetische Reflexionen sind. Mit diesen Techniken gelingt es ihm nicht alleine ästhetische Erfahrungswelten zu schaffen, sondern Bezugssysteme zwischen Bild, Text, Vorstellung und Ort zu definieren. Dieses relationale Gefüge etabliert einen sozialen Raum als Erfahrungslandschaft und Sinnstiftung.

Einzelaustellung/Gastkünstler, 2009

Rathausgalerie Landshut, St Anna Kapelle Passau

 

In der Ausstellung in der Rathausgalerie in Landshut zeigt Martin Fritzsche Arbeiten aus seiner Werkreihe "endlich" aus den Jahren 2008 und 2009.

"endlich" ist Überschrift und Vorwort für seine Arbeiten.

Das Wort signalisiert das Warten und Sehnen und das gleichzeitige Ende, - und markiert somit den Augenblick, das Unmittelbare, das Jetzt. Alle Arbeiten kreisen, um das Thema Zeit, Veränderung in ihrer ästhetisch und emotionalen Dimension. In der Martin Fritzsche eigenen humorvollen, ironischen, spielerischen Ausdrucksweise kommentieren sie unseren Alltag und setzen diesen in poetische Bilder. Die Titel seiner Werke sind wesentlicher Teil und nicht nur Beschreibung der Arbeiten.

 

Martin Fritzsche ist ein bekennender Spieler. Den Satz „Spiel ist die Arbeit des Kindes“, der sich ohne weiteres auch umdrehen lässt zu einen „Arbeit ist das Spiel des Kindes“

übertragt er auf sein künstlerisches Schaffen. Spielerisch, ernsthaft vertieft , geht er zur Sache. Mit ästhetischem Scharfblick nimmt er Proben unserer Zivilisationsgesellschaft um sie zu verändern und mit unterschiedlichen Materialien, Zeichnungen, Bemalungen, Skulpturen zu kommentieren. Die scheinbar willkürlichen Kombinationen sind bewusste Interaktionen mit dem Zeitgeschehen. Die “Kombinatorik“, ein Begriff der von den Surrealisten geprägt wurde, erhält hier eine zeitgenössische Behandlung.

Als Bildhauer im ureigensten Begriff des Wortes schafft er so neue eigensinnige Gebilde von poetischer Qualität. Objekte und Rauminstallationen entwickeln Sinnzusammenhänge, die in gleicher Weise den Bezug zur aktuellen Lebenssituation halten als aber auch über diese hinausweisen.

 

Martin Fritzsche steht für die Lust am Entstehen irritierender Sinnzusammenhänge, - er will Fallen stellen und den Betrachter gedanklich zum stolpern bringen.

 

Auch in der aktuellen Ausstellung “endlich“ wird der spielerische Umgang mit Materialien, künstlerischen Techniken und Räumen kultiviert.

Themen und Alltagsschauplätze, die normalerweise abseits, des allgemeinen Focus liegen, werden umspielt, dokumentiert, paraphrasiert.

Die Leichtigkeit , die entsteht, wenn Normen, auch die des Kunstmarktes frei interpretiert werden, bzw. das Spiel zur Norm wird, wenn die Dinge beginnen frei miteinander zu kommunizieren und neue Bindungen eingehen, ist ansteckend.

Martin Fritzsches Arbeiten aus den Jahren 2005 –2007 die in der Austellung „daneben“ in Rosenheim firmierten findet hier ihre konsequente Fortführung.

“daneben“ ist eine künstlerische und auch eine soziale Haltung. Daneben zu denken und zu handeln erweitert hier wie da das Spektrum der Lösungsmöglichkeiten.

“daneben“ offeriert so ungewohnte Bilder, ungewohnte Ästhetik, ungewohnte Ordnungen von Bedeutungen, Farben und Formen, die uns verblüffen aber auch zum Schmunzeln bringen.

“endlich“ ist nun die Fortführung in der Dimension Zeit.

Verwies uns die Ausstellung “daneben“ auf die räumlichen Nebenschauplätze so verweist uns endlich auf den Moment den Augenblick. Martin Fritzsche, “endlich“als Gast des Kunstvereins Lanshut

Große Rathausgalerie Landshut, 13.11. - 06.12.2009

St Anna Kapelle, Passau, 15.01. - 21.02.2010

terrain, Installation: “leben nich friern“, Orangerie München, 2007

 

Martin Fritzsche steht für die Lust am Entstehen irritierende Sinnzusammenhänge.

Die scheinbar willkürlichen Kombinationen von Massenartikeln, Fund- und Alltagsgegenständen, Zeichnungen und Plastiken, Ort und Schriften sind bewusste Interaktion mit ihrer Umgebung.

Sie paraphrasieren, thematisieren, irritieren, deuten um.

In der aktuellen Installation „leben nich friern“ sind Heizköper mit Decken umschlungen. Bunte, runde, aus Keramik geformte und beschriebene “Nops“, liegen wie zufällig auf dem grauen Boden. Im Stolpern entdecken wir Schriften, - lachen, lieben, vergessen, ...

Die ursprüngliche Funktion der Orangerie als Schutzraum für Pflanzen wird Ausgangspunkt für Überlegungen nach einem menschlichen Schutzraum.

Einzelausstellung, Kunstverein Rosenheim, 2007

 

Martin Fritzsche gehört zu einer jüngeren Generation von Künstlern, die mit leichter Hand und verschmitztem Lächeln künstlerische Möglichkeiten der Inbesitznahme ihrer Umgebung ausloten und weniger an die Produktion musealer Werke denken als daran, Kunst und Leben in eine Symbiose zu bringen.

 

Martin Fritzsche ist ein kritischer Beobachter der Gesellschaft und des Kunstbetriebes.

Seine Zeichnungen, Objekte, Installationen und Videos sind von hoher Qualität, herzerfrischend, ungewöhnlich!

Ihre Eigenartigkeit, die im wahrsten Sinne dieses Wortes ,,Eigen-Art" ist, fällt auf, fesselt, inspiriert.

Durchdacht, hintersinnig und dennoch leicht und offen lassen sie uns das Wesentliche und Menschliche unseres Lebens erahnen.

 

Arte povera und Fluxus mögen ursprünglich Vorbilder für Martin Fritzsche gewesen sein, denn seine Materialien sind Fundstücke aus dem täglichen Leben.

Seit einem Studienaufenthalt 1997 in s'Hertogenbosch, Niederlande, begann er, sich für Massen- und Abfallprodukte wie Kleider, Stoffe, Polster, Kisten, Folien, Kunststoffe, transparente Plastikverpackungen, Tüten und andere Materialien zu interessieren. Als "Sampler" sammelt er ästhetisch interessante Materialobjekte, verändert, ergänzt und setzt sie in neue Sinnzusammenhänge.

Er besetzt Räume mit diesen ästhetisch kombinierten Objekten, interessiert sich für Nischen, Restƒlächen, lässt seine Objekte bisweilen wie zufällig liegen gelassen den Raum stören, beherrschen, um definieren.

 

Martin Fritzsche ist ein bekennender Spieler. Mit ästhetischem Scharfblick nimmt er Proben unserer Zivilisationsgesellschaft, um sie zu verändern und mit anderen Materialien, Zeichnung, Bemalung, Skulptur zu kombinieren. Er schafft mit seinen Objekten und Rauminstallationen neue Sinnzusammenhänge und Fragestellungen, die in gleicher Weise den Bezug zur aktuellen Lebenssituation halten, als aber auch über diese hinausweisen.

In Gruppenausstellungen stellt sein Beitrag stets eine Art Störung dar - durch den völligen Verzicht auf Pathos -

und weist damit nicht nur auf seine eigene Arbeit hin sondern schärft auch den Blick für die Werke der Kollegen.

 

Interessant, amüsant, ästhetisch, ironisch, witzig wie bezaubemd sind auch seine auf ein Minimum reduzierten Videofilme. Hier wird ebenfalls im Marginalen das Wesentliche und Humane unserer Existenz zum Thema gemacht, hinterfragt.

 

Iris Tübswetter; Februar 2007

Einzelausstellung, Irrlicht, Rosenheim, 2006

 

Martin Fritzsche ist ein bekennender Spieler. Mit ästhetischem Scharfblick nimmt er Proben unserer Zivilisationsgesellschaft, um sie zu verändern und mit anderen Materialien, Zeichnung, Bemalung, Schriften, Skulptur zu kombinieren. Er schafft mit seinen Rauminstallationen und Objekten neue Sinnzusammenhänge und Fragestellungen , die in gleicher Weise den Bezug zur aktuellen Lebenssituation halten, als aber auch über diese hinausweisen.

 

Seine Arbeiten, bislang wie abgestellt, liegen gelassen, zufällig, - führen zu einer offenen Umdefinition, der besetzten Räume, füllen diese mit einer anderen Bedeutung, fordern den Besucher als Entdecker.und Interpret.

Martin Fritzsche schafft sich mit seinen Arbeiten in Kommunikation mit dem Raum ein Bezugs-und Orientierungssystem, dass ihm ein Gefühl von „zuhause sein“ vermittelt.

1998/1999 Pressetext zur Ausstellung germination, -

european bienale for young artists, Athen, Antwerpen

 

Martin Fritzsche has been a student at the Munich Academy since 1993; his earlier interests included graphical arts and furniture making; he also studied pedagogy, psychology and politics. He has been actively engaged in social pedagogy since

1987, working as a child therapist. His world view and general outlook on life have greatly been influenced by his work with mentally retarded people, as well as with destitute families. Although at the Academy he initially created objects and environments relying on an intellectual approach, he soon discovered that this was not the right track for him. The ideas and the art ofJoseph Beuys exerted a great influence on the artist, helping him develop an understanding of the elementary

evidences concealed in things, in objects and in art. The fundamental principle of his art is based on his insistence to view things in their natural simplicity, without any mannerism or complications. Not necessarily regarding himself as an artist, nor the works he creates as artworks, he is more interested in observation and exploration, in the creation of various situations, and in the acquisition of new experiences from the

experiments and toying with ideas that accompany the process. His creative method primarily consists of thinking things and processes over and selecting from several, equally viable situations at his own will.

 

The programme Make Me Feel Home forms an important element of Martin Fritzsche`s art. The essential idea is to fill arbitrarily chosen rooms and spaces with objects and forms, and to arrange things in the available space spontaneously.

He uses various materials—ceramic, polyester, textile, paper, etc.—to create small objects, and then arranges them so as to make the chosen rooms and spaces more homy and friendly.

 

The objects, forms and colours he uses are invariably simple and without frills, and in fact they are often ready-mades (pieces of sponge, thread, paper, textile, etc.). He furnishes the rooms and halls, and often public spaces, in various formations, in an

improvisational manner. The spaces and installations resulting in this way are transferred to another system of relations, filling the strange rooms and places with familiar human contents of great warmth. He draws pleasure from watching people's

reactions when they discover or use his installations, and awaits the signs of surprise, smile and joy. His works form a situation art imbued with deep humanity and warmth, in which meditative melancholy is just as typical as the complex presence of

playing and educating.

 

With his playful spatial situations and furnishings, Martin Fritzsche achieves the re-interpretation of alienated places by "taming" them and investing them with human qualities in his immediate micro-environment, thus creating, over and over again, the ideas of harmony and delight chat are present in the world. He represents a classic morality: his talking flowers (Blumenberg, 1993), footprints made of ceramic, as in the

reconstruction of a night spent in a bunker (Ein Nacht im Bunker), red swings {Schaukein, 1995, hall installation) and spatial installations made of coloured ceramic deliberately create an aura and a situation which directly relate to people, and which,

without diminishing the importance of the distinct civilizatory situation and the circumstances of everyday life, mainly speak about general and universal aspects. The relationship between the space and the objects created, found or brought into focus

by him, along with the effect that this encounter has on the surroundings and on people, form the original concept of Martin Fritzsche`s art, with the help of which he has been able to develop a wholly distinctive and ironically playful style imbued with benign and understanding wisdom.

 

ORSOLYA MERHAN, August 1997

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